Seit Dezember 2015 erforscht Dr. Ole Wittmann in Kooperation mit dem Museum für Hamburgische Geschichte den Nachlass des Tätowierers Christian Warlich. Die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur ermöglicht das Projekt.
Im Bestand des Museums befindet sich ein großer Teil des Nachlasses von Warlich (1891–1964), der als einer der bedeutendsten Tätowierer des 20. Jahrhunderts gilt und als „König der Tätowierer“ international bekannt wurde.
Dieses Konvolut bildet die Grundlage für das Forschungsvorhaben. Abgesehen von einem Vorlagealbum, dessen Neu-Herausgabe ebenso in Vorbereitung ist, wurde der Nachlass bisher weder umfassend erforscht noch der Öffentlichkeit oder Fachwelt zugänglich gemacht. Im Bestand befinden sich weitere Vorlagebücher, Zeichnungen, Fotografien, Korrespondenzen und anderen Flachwaren. Die Fotostrecke eines Hamburger Pressefotografen gewährt Einblicke in die Arbeitspraxis Warlichs. Des Weiteren befinden sich Tätowiergeräte, Zelluloid-Schablonen und Hautpräparate in der Sammlung, bei denen es sich um von Warlich entfernte Tätowierungen handelt. Berücksichtigt werden nicht nur Objekte aus dem Museum für Hamburgische Geschichte, auch externe Sammlungen werden in das Projekt einbezogen.
Da der Bestand bisher nicht wissenschaftlich aufgearbeitet wurde, bedarf es einer Erfassung, Katalogisierung und Erforschung des Materials, mit dem Ziel, die Ergebnisse zu publizieren und sie in einer monografischen Ausstellung zu präsentieren. Dies ist erforderlich, da Warlichs Arbeit immer wieder Gegenstand volkskundlicher Forschungen ist und ein kulturwissenschaftliches und kunsthistorisches Interesse an seinem Œuvre besteht. Dies manifestierte sich unter anderem in einer Warlich-Sektion der Ausstellung Tattoo im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg (2015). Die Schau präsentierte eine breite Palette von Bezügen und zeigte die Tattoo-Kultur mit einem Fokus auf bildende Kunst, Design, handwerkliche und kulturgeschichtliche Fragen. Die Bedeutung und das Schaffen von Christian Warlich konnte dabei nur fragmentarisch berücksichtigt werden.
Neben der Erschließung von Objekten, deren Ausstellung und Nutzbarmachung besteht die Aufgabe des Projektes darin, weitere Objekte aus privaten Sammlungen sowie Träger von Warlich-Tätowierungen ausfindig zu machen. Ferner sollen Recherchen neue Einblicke in Warlichs Biografie geben. Auch stellt sich die Frage, wie der internationale Austausch zwischen ihm und anderen Tätowierern statt fand und welche Inhalte er hatte. Des Weiteren soll geklärt werden, welchen Bedingungen die Tätowierpraxis im Nationalsozialismus unterlag.
Der Rahmen des Forschungsprojektes lässt Bezüge vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart zu, zumal Warlichs Schaffen bis heute als Inspiration für Tätowierer weltweit dient. Neben einer Kontextualisierung innerhalb der Hamburger Tattoo-Geschichte lassen sich Parallelen zur US-amerikanischen, englischen und ostasiatischen Tätowierung ziehen. Warlich war um einen regen internationalen Austausch bemüht und ließ sich von der Formensprache beispielsweise asiatischer Tätowierungen und von amerikanischen Motiven inspirieren. Warlich fiel nicht nur durch seinen Anspruch auf die Tätowierung zu professionalisieren, auch profilierte er sich durch handwerkliches Können und einen gewissen künstlerischen Anspruch. Im Gegensatz zu anderen Hamburger Tätowierern seiner Zeit strebte er nach einer steten Verbesserung der Formen und einer Erweiterung des Bildrepertoires. Zu diesem Zweck entwickelte er neue Motive und nutzte Vorlagen aus dem Bereich der Populärkultur ebenso wie aus der bildenden Kunst.
In dem Projekt werden methodische wie theoretische Ansätze der Geschichts-, Kultur- und Kunstwissenschaft miteinander verknüpft. Im Sommersemester 2016 erfolgte eine Kooperation mit der Universität Hamburg, ein Seminar stellte sich den Fragen rund um die museale Erschließung des Nachlasses. Das Ziel war eine multiperspektivische Analyse der kulturellen Praxis des Tätowierens sowie die Erarbeitung von Grundlagen in historischer Quellenkunde und musealer Sachkulturforschung.
Geplant sind diverse Publikationen, unter anderem eine Neu-Herausgabe des Vorlagealbums von Christian Warlich. Ferner wird im November 2019 die Sonderausstellung Tattoo-Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli am Museum für Hamburgische Geschichte eröffnet.
Dr. Ole Wittmann
Leitung des Forschungsprojektes „Der Nachlass des Hamburger Tätowierers Christian Warlich (1891–1964)“ sowie
Kurator der Sonderausstellung Tattoo-Legenden. Christian Warlich auf St. Pauli am Museum für Hamburgische Geschichte.
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Hamburger Stiftung zur Förderung von
Wissenschaft und Kultur
1. Dezember 2015 – 30. November 2020
Bildnachweis: SHMH, Hamburger Abendblatt, Benne Ochs, Bertold Fabricius